…Beitrag zur Geschichte des Ludwig – Georgs – Gymnasiums aus der Festschrift zum dreihundertjährigen Bestehen…
Vom Sommer 1914 an steht auch unsere Schule im Zeichen des Weltkrieges. „Wie ganz Deutschland in frohem stolz die Einigkeit und Züchtigkeit seiner Söhne im Ernstfall erlebte, so durften auch wir mit unseren Primanern zufrieden sein, die plötzlich aus Knaben zu jungen Männern geworden waren, Helden – ihrem Willen nach – und Beschützer aller realen und idealen Güter unseres Vaterlandes.“
Lehrer und wehrfähige Schüler folgten dem Ruf zu den Waffen. Andere stellten sich als Pfleger und Krankenträger dem Roten Kreuz, wieder andere der Erntehilfe zur Verfügung.
In aller Eile wurden Kriegs- und Notreifeprüfungen abgehalten.
„Wir hatten beim Kriegsausbruch dreiundzwanzig Schüler von achtzehn Jahren und darüber und neunundzwanzig Schüler von siebzehn Jahren; von den ersteren sind neunzehn, von den letzteren fünfzehn zum Waffendienst eingetreten, außerdem noch drei Sechzehnjährige, sodass wir dem Vaterland insgesamt siebenunddreißig Krieger gestellt haben.“
Die Jahresberichte der folgenden Jahre erzählen von dem Kämpfen, dem Siegen und – dem Sterben unserer Selben. Eine schlichte Gedenktafel in der Eingangshalle unseres Gymnasiums trägt die Namen eines Lehrers und von elf Schülern und die Inschrift: „Sie sind aus der Schule in den Weltkrieg gezogen und haben ihre Liebe zum Vaterland mit dem Tode besiegelt!“
Diesem Denkmal gegenüber meldet eine große Tafel die Namen der früheren Schüler des Neuen Gymnasiums, die im Weltkrieg gefallen sind. Darunter stehen die Worte Theodor Körners: „Zum Opfertod für die Freiheit und die Ehre seiner Nation keiner zu gut!“
Wenn man alles aufzählen wollte, was Lehrer und Schüler auch unseres Gymnasiums während der Kriegsjahre und noch nach dem Ende des gewaltigen Krieges erlebt, geleistet und gelitten haben, könnte man ein ganzes Buch schreiben. Ganze Mappen voll Schriftstücke aller Art berichten von den Maßregeln, die teils von den Behörden angeordnet, teils von der Schulleitung auf Grund eigener Verantwortung getroffen wurden, um den Unterrichtsbetrieb einigermaßen aufrecht zu erhalten. An hundertfachen Belegen könnte man dartun, wie sich – unter Leitung ihrer Lehrer – auch unsere Schüler, wie überall in ganz Deutschland, betätigt haben beim Einbringen der Ernte, bei Sammlungen aller Art, im Dienst des roten Kreuzes, bei der Werbung für die Kriegsanleihen, als Mitglieder der Jugendwehr – kurz auf allen Gebieten, wo sich unsere Jungen überhaupt nützlich und verdient machen konnten.
Die Überschriften der deutschen Aufsätze geben Aufschluss darüber, wie sich das gewaltige Erlebnis des Weltkrieges im Unterricht ausgewirkt hat.
Der unglückliche Ausgang des Weltkriegs ist wohl die Ursache, weshalb das Buch „Die deutsche Schule und der Weltkrieg“ bis jetzt nicht geschrieben worden ist – und vielleicht nie geschrieben werden wird. Die wild bewegten Jahre der Nachkriegszeit, der inneren Wirren, des Ruhrkampfs und der Geldentwertung haben uns weder Zeit noch Stimmung gelassen, um in Rückschauender Betrachtung Rechenschaft zu geben von allem dem, was in und nach dem Krieg auch die höhere Schule erlebt und durchgemacht hat, und was in seinen Nachwirkungen zu verspüren ist bis zum heutigen Tag.
Die öffentliche Schulfeier am 26. Januar 1916 war gedacht als „Bekenntnis zum Humanismus“. Zur Einführung sprach der Direktor die folgenden Worte: „Die Schule ist ihrer Natur nach einer Stätte der Vorbereitung, und so wollen wir heute Kräften und Schülern einen Teil der Vorbereitung zur Vaterlandsliebe und zum Opfersinn, die wir hier zu leisten suchen, vorführen, indem wir aus griechischen Dichtern Prosaikern Stücke vortragen lassen, die von Gottesfurcht und sittlichem Ernst, von Dienst für Vaterland und von Mannhaftigkeit handeln. Es ist nur ein Teil unserer Vorbereitung, aber es ist der dem Gymnasium eigentümliche Teil, und wir hielten es für richtig, bei dieser festlichen Gelegenheit einmal zu zeigen, welch köstliche Samenkörner das griechische Altertum in die Herzen unserer Jugend senken kann, Samenkörner, aus denen deutsche Tugenden erblühen sollen. Unsere Jungen werden durch die Beschäftigung mit solchen Werken nicht zu Griechen; wir vernachlässigen auch die deutsche Kultur und die moderne Zeit nicht… Wir sind uns bei all unserem Tun bewusst, dass es unsere heiligste Pflicht ist, unsere Schüler zu guten Deutschen zu erziehen. Und so wollen wir alle denn auch, ehe wir uns nun zu den Erzeugnissen des griechischen Geistes wenden, uns aufrichtig und kräftig zum deutschen Geist bekennen!“
Die für Prämien zur Verfügung stehenden Mittel wurden während des Krieges dem Roten Kreuz überwiesen, und den Schülern, die eines Prämiums würdig befunden waren, wurde dies durch eine Urkunde bezeugt.
Wie die Kriegsgefahr sich selbst bis in die Heimat auswirkte, zeigen die Unordnungen, die im Interesse der Sicherheit getroffen werden mussten bei den Fliegerangriffen, von denen auch unsere Vaterstadt nicht verschont geblieben ist.
Die Notwendigkeit, an Heizstoffen zu sparen, machte sich geradezu in verhängnisvoller Weise bemerkbar und führte schließlich dazu, dass der Turnunterricht ganz eingestellt, die Ferien teilweise verlängert und – vom 1. Dezember 1919 bis zum Schluss des Schuljahres – fünf höhere Lehranstalten in unserem Schulgebäude untergebracht werden mussten.
Wie schwer die Verluste waren, die unser deutsches Vaterland im Weltkrieg erlitten hat, ist uns wieder so recht schmerzlich zum Bewusstsein gekommen, als wir bei der Vorbereitung unserer Dreihundertjahrfeier uns bemühten, in monatelangen Nachforschungen die Anschriften aller ehemaligen Schüler zu ermitteln. Noch heute sind wir damit beschäftigt, endgültig die Zahl derer festzustellen, über die uns Eltern, Verwandte oder ehemalige Mitschüler melden mussten: „gefallen im Weltkrieg!“
Nachdem Ende 1918 die zum Heeresdienst einberufenen Lehrer aus dem Feld aber von den Orten ihrer militärischen Verwendung zurückgekehrt waren und der regelmäßige Unterricht einigermaßen wieder in Gang gekommen war, wurden vom Januar 1919 an Kurse zur Vorbereitung der Kriegsteilnehmer auf die vereinfachte Reifeprüfung eingerichtet und bis Ostern 1920 durchgeführt, – eine Demobilmachung der höheren Schule!