von Lidia (11b)
Hallo und welcome back meine lieben Theaterfreundinnen und -freunde! Heute möchte ich euch mal etwas über eine Produktion des Staatstheaters erzählen, die in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonderes ist.
„The Prison“ von der englischen Komponistin Ethel Smyth ist eigentlich ein Oratorium bzw. eine Vokalsinfonie. Das bedeutet, das Stück wird eigentlich ohne Inszenierung (also Kostüme, Bühnenbild, etc.) aufgeführt. Bei uns in Darmstadt ist das ein bisschen anders, aber dazu später mehr. Das ist allerdings nicht die einzige Sache, die das Stück von den populäreren Opern wie die von Verdi oder Wagner unterscheidet. Denn auch die Komponistin selbst ist definitiv eine Erwähnung wert. Ethel Smyth war nicht nur Komponistin, Dirigentin und Schriftstellerin, sondern auch Mitkämpferin bei den britischen Suffragetten ab den 1910er Jahren, also einer Bewegung von Frauen, die sich mit allen Mitteln, teilweise auch mit ihrem eigenen Leben, für ihre Rechte einsetzten.
The Prison handelt im Grunde genommen von einem Gefangenen, der seine letzten Stunden in einer Zelle verbringt und auf seine Hinrichtung wartet (Name des Gefangenen und der Grund seiner Hinrichtung werden nicht genannt). Er denkt über Leben und Tod nach und befindet sich dabei immer wieder im Dialog mit seiner eigenen Seele. Diese wird durch eine Sängerin (Sopran) verkörpert, die immer wieder wie aus der Ferne zu dem Gefangenen (Bariton) spricht. Außerdem sind immer wieder Stimmen aus dem Jenseits, dargestellt durch den Chor, zu hören.
Das Konzept der Geschichte ist, wie ihr seht, eigentlich relativ simpel, aber natürlich hat es noch viel mehr Facetten, Details und Tiefgang, als man es hier beschreiben kann. Wen das interessiert, der sollte unbedingt auf den Text achten, denn der bietet natürlich wie so häufig noch einmal mehr Interpretationsmöglichkeiten.
Was die Inszenierung angeht, kann man wohl sagen, dass die größte Besonderheit daran der Blickwinkel der Zuschauer*innen ist. Das Stück spielt nämlich eigentlich ganz normal auf der Bühne, aber das Publikum sitzt auf der Hinterbühne (Anlass ist das „Backstage-Festival“)! Man schaut sich aber natürlich nicht 60min lang die Hinterteile der Darsteller*innen an, sondern diese schauen ebenfalls in die entgegengesetzte Richtung. Was ich bei dieser Art der Darstellung außer der Sichtbarkeit der Bühnentechnik am Interessantesten fand, war allerdings der Blick in den Zuschauerraum, der, wenn nun nicht gerade eine halbdurchsichtige graue Wand als Hintergrund die Sicht versperrte, ziemlich beeindruckend war. Man sieht dadurch eben einfach mal, was sonst normalerweise die Musiker*innen, Schauspieler*innen, etc. sehen, und wenn man sich vorstellt, dass auf all den Stühlen noch Menschen sitzen, hat man ein gutes Gefühl dafür, wie sich so ein Künstler oder eine Künstlerin jeden Tag fühlt. Eine weitere Besonderheit ist der allererste Anfang des Stückes, denn die Zuschauer*innen müssen ja auch alle erstmal auf die Hinterbühne kommen. Das Publikum hält sich vor der Vorstellung wie immer im Foyer auf, allerdings wird die kommende Vorstellung dann erstmal von Mitgliedern aus dem Kinder- und Jugendchor eingeleitet. Die vier Mädchen tragen singend eine Büste der Komponistin durch das Foyer und stellen sie auf einem Sockel ab. Dort warten dann einige Sängerinnen aus dem Opernchor, die ebenfalls etwas singen (beide Stücke übrigens a capella) und das Publikum dann zu ihren Sitzplätzen führen. Was die eigentliche Vorstellung angeht, spielt auch das Orchester wie meistens eine große Rolle, da aber natürlich der Orchestergraben in diesem Fall nicht zur Verfügung steht, wurde stattdessen ein Teil der Bühne zu einer Art großem Loch abgesenkt, dessen Tiefe auch mehrmals während des Stückes verändert wurde, sodass man auch immer wieder einen guten Blick auf die Musikerinnen und Musiker hatte. Dieser etwas andere Orchestergraben war auch gleichzeitig der größte Teil des Bühnenbildes und auch eher „mitten drin“ als gleich vorne, denn der Hauptdarsteller Georg Festl als „Der Gefangene“ saß die allermeiste Zeit des Stückes vor dem besagten Loch – in einer Kiste, und knotete Fäden aneinander, während auch der Chor und einige Statisten dort zu sehen waren. Die Inszenierung dehnt sich aber auch in alle anderen Himmelsrichtungen und sogar nach oben auf die Beleuchterbrücke aus. Im letzten Drittel des Stückes wurden dann nach und nach lange rote Stoffbahnen von der Decke heruntergelassen und kreuz und quer über dem Orchestergraben gespannt, was für ein, wie ich finde, ziemlich cooles Bild gesorgt hat (das Ergebnis seht ihr auf dem Foto unten). Außerdem wurde immer wieder Videoprojektion eingesetzt, da war dann zum Beispiel eine riesige EULE auf einer Leinwand vor dem Orchestergraben zu sehen ;). Zu den Kostümen kann ich euch nicht viel erzählen, das müsst ihr selbst gesehen haben… Ich sag nur so viel, die Köpfe der Opernchorsängerinnen und -sänger waren unter anderem als roter Blumenkohl, Stachelschwein oder Einkaufsnetz verkleidet (so wirkte es zumindest auf mich). So albern, wie es hier klingt, war es allerdings nicht (falls man auf dem zweiten Bild etwas erkennen kann, könnt ihr dort einen Eindruck bekommen). Insgesamt hat mir an der Inszenierung am besten das stimmige Gesamtbild gefallen, da so gut wie alles in rot und schwarz gehalten war. Außerdem fand ich es super, dass man eigentlich immer zumindest einen Teil des Orchesters sehen konnte. Am Ende ist mir aufgefallen, dass alle Musikerinnen und Musiker kleine rote Details wie Bänder oder Schleifen an ihrer Kleidung getragen haben, was ich auch sehr schön fand. Solche Details machen häufig nochmal sehr viel aus, was meint ihr? Manchmal hat es sich aber auch etwas in die Länge gezogen, allerdings weiß ich nicht, ob es an dem Fäden knotenden Georg Festl lag (der sich das natürlich nicht selbst ausgedacht hat), oder an der Musik.
Im Grunde genommen handelt es sich um harmonische, spätromantische Musik, manchmal habe ich aber auch einzelne „random“ Harmonien gehört, die vielleicht so etwas wie eine Vorahnung für die darauffolgende Moderne sind. Ich glaube schon, dass Ethel Smyth eine begabte Komponistin war, allerdings kann man ihre Musik was die „Qualität“ angeht (bei Kunst kann man ja kaum von Qualität sprechen) aus meiner Sicht nicht mit anderen Werken vergleichen, die zu ihrer Zeit entstanden sind. Über die beiden Hauptdarsteller kann ich sagen, dass mir zum einen Jana Baumeister in ihrer Rolle gut gefallen hat, da ich finde, dass ihre Stimmfarbe gut zu „Der Seele“ passt, zum anderen, dass mir Georg Festl zwar als Darsteller meist gut gefällt, allerdings ist seine relativ besondere Stimme eher Geschmacksache und ich finde, dass man manchmal leider die einzelnen Tonhöhen nicht voneinander unterscheiden kann. Das Beste an dem Stück fand ich allerdings das Bratschensolo (die, die mich kennen wissen warum) :D. Das kommt einmal als eine Art Dialog mit der Solo-Geige vor und einmal spielt die Bratsche alleine. Als ich in der Vorstellung war, hat Solobratschist Klaus Opitz das Solo gespielt, wenn ihr aber am Donnerstag (13.07.) in die allerletzte Vorstellung des Stückes geht, hört ihr vielleicht meinen Bratschenlehrer :).
So, jetzt dürft ihr euch aber auch erstmal wieder von dem kulturellen Input erholen. Genießt das warme Wetter und die Sommerferien! Das wird das Theater übrigens ebenfalls tun, dort ist jetzt erstmal Spielzeitpause und dann wird etwa zeitgleich mit dem Schulbeginn in die Spielzeit 2023/24 mit dem Motto „Schön geträumt?“ gestartet. Ich wünsche euch schöne Ferien, vielleicht ja auch mit Musik (ihr könnt z.B. zu LJO-Konzerten kommen ;)) und bis bald!
Die Bilder wurden auf der Homepage des Staatstheaters am 29.06.23 abgerufen (staatstheater-darmstadt.de)