Tolles im Theater – Hoffmanns Erzählungen

EULE Online

von Lidia (Q1)

Guess who‘s back! Das bin nämlich nicht nur ich, sondern auch Schriftsteller E.T.A. Hoffmann – zumindest auf der Bühne…

Vielleicht habt ihr schon das ein oder andere Plakat vom Staatstheater gesehen, das stolz die am 30. September gefeierte Premiere von „Hoffmanns Erzählungen“ (Jaques Offenbach) ankündigte. Und stolz können die Beteiligten der Produktion auch wirklich sein! Deshalb freue ich mich umso mehr, euch in dieser Ausgabe etwas darüber zu erzählen (dabei möchte ich mich vor allem an die wenden, die sich kürzlich im Unterricht mit eben diesem Hoffmann und seinen Werken beschäftigt haben ;)). 

Hoffmann ist ein Künstler, der sich auf der hoffnungslosen Suche nach der wahren Liebe immer wieder im Alkohol verliert. Im Rausch erzählt er einer Gruppe von Studenten aus seiner Vergangenheit und von der geheimnisvollen Stella, Hoffmanns Bild einer perfekten Frau. Und hier beginnt die Reise durch seine Fantasie, durch Hoffmanns Erzählungen von drei vergangenen Liebschaften mit drei ganz unterschiedlichen Frauen: Die erste, Olympia, ist eine Puppe, die ihr Schöpfer Spalanzani als seine Tochter verkauft – der dubiose Coppelius verkauft Hoffmann eine Brille, durch die ihm Olympia wie eine lebendige Frau erscheint. Aus Rache wegen einer offenen Rechnung mit Spalanzani zerstört Coppelius Olympia, den „Automat“. 

Die zweite Frau, die Hoffmann einst geliebt hat, ist Antonia, die Tochter einer berühmten Sängerin. Tragischer Weise hat sie die mysteriöse Krankheit ihrer Mutter geerbt, bei der das Singen, ihre Leidenschaft, den Tod bedeutet. Dr. Mirakel, eine düstere Gestalt in Form eines Arztes, verführt sie jedoch zum Singen und Antonia stirbt. Die dritte Frau heißt Giulietta, eine Kurtisane aus Venedig, die Hoffmann auf Anordnung Dapertuttos verführen soll, um sein Spiegelbild zu stehlen (was auch immer das heißen mag…). Denn Dapertutto hat es sich zur Aufgabe gemacht, verliebte Männer in den Ruin zu treiben. 

Wem zumindest ein Teil davon bekannt vorkommt, dem dürfte aufgefallen sein, dass in dieser Oper verschiedene Werke von E.T.A. Hoffmann verarbeitet werden – „Der Sandmann“, „Rat Crespel“ und „Die Abenteuer der Sylvester-Nacht“ – nur dass hier eben Hoffmann selbst die Hauptfigur ist. Zudem gibt es zwei Motive, die durch alle Teile der Geschichte weitergeführt werden. Das ist zum einen die Figur des Bösen, das zwar in jeder Geschichte einen anderen Namen trägt, jedoch immer dasselbe ausdrücken soll und auch von ein und demselben Sänger verkörpert wird (die „Vier Bösewichter“ – vier sind es deshalb, weil Hoffmann auch in der realen Welt einen Gegenspieler namens Lindorf hat). Zum anderen hat Hoffmann – ebenfalls in der realen Welt – eine Muse, seine „aktuelle“ Liebschaft, die keinen weiteren Namen hat. Sie begleitet ihn durch seine Fantasiereise, seine Halluzinationen, seine Erinnerung oder wie auch immer man es nennen mag und ist sein letzter Bezug zur Realität (ähnlich wie Clara im „Sandmann“). 

Außerdem schulde ich euch noch eine Erklärung zu Stella, die in dieser Geschichte ja eigentlich keine wirkliche Rolle spielt. Tatsächlich kommt sie auch auf der Bühne gar nicht immer vor (im Staatstheater zum Beispiel nicht). Es ist nämlich interpretationsabhängig, ob Stella eine reale Person ist, ob Hoffmann sie sich nur ausgedacht hat, oder ob man sagen kann, dass sie echt ist, nur weil Hoffmann sie für echt hält. Für ihn ist sie jedenfalls die Verschmelzung der drei Frauen aus der Geschichte und damit „perfekt“.

Kommen wir nun nach der langen Erklärung dieser facettenreiche Geschichte mal zur Inszenierung und Interpretation von Regisseur Dirk Schmeding. Das Bühnenbild und die Kostüme sind definitiv von reichlich Glamour und Vielfalt geprägt, jedoch trotzdem eher klassisch gehalten (zumindest nicht „neu erfunden“ oder zu verschlüsselt interpretiert) – ein bisschen hat es mich an Saturday Night Fever aus der letzten Spielzeit erinnert, wenn auch nicht ganz so gewaltig. Dirk Schmeding versteht es jedenfalls sehr gut, den klassischen „Bühnenzauber“ einzusetzen, durch Pyrotechnik, Nebel und optische Illusionen.

Alle drei Szenen mit den unterschiedlichen Frauen haben völlig verschiedene Bühnenbilder, sodass es immer etwas zu sehen gibt. Eingerahmt wird das Ganze von Hoffmanns Wohnung am Anfang, einem gewöhnlichen Zimmer mit einem Bett, einem Kühlschrank und verschiedenen Bildern und Postern an der Wand, und einer bis auf zwei Altglascontainer völlig leeren Bühne am Ende. Und dazwischen eben die schillernden Bilder mit Olympia, Antonia und Giulietta. 

Am besten gefallen hat mir, glaube ich, das Olympiabild. Zum einen natürlich, weil ich dort durch den Sandmann das meiste Hintergrundwissen hatte, zum anderen aber auch durch die tolle Musik und die abgedrehten Kostüme, aber vor allem dank Juliana Zara als Olympia. Sie hat meiner Meinung nach wirklich schön gesungen und die Rolle der Puppe sehr gut dargestellt. Sie musste sich die ganze Zeit wie ein Roboter bewegen, was wahrscheinlich ganz schön anstrengend ist, und man hat ihr einfach angemerkt, dass sie Spaß an der Rolle hatte. 

Das Antoniabild ist das schlichteste von allen – es besteht lediglich aus einem Podest auf dem ein Flügel steht – jedoch hat mir der Effekt sehr gut gefallen, als der „Geist“ von Antonias (Megan Marie Hart) Mutter aus dem Flügel gestiegen kam. Für viele ist die Musik in dieser Szene die Schönste. Beim Giuliettabild musste ich unwillkürlich an „Barbie“ und „Oppenheimer“ denken… ich bin mir nicht sicher, ob es Zufall oder die Absicht des Regisseurs war, aber eine Ähnlichkeit war nicht zu übersehen. Giulietta (Jana Baumeister) trägt ein prunkvolles, wirklich schönes (!) Kleid in knallpink, und auch die vier Tänzerinnen und Tänzer und sogar Dapertutto tragen diese Farbe. Auf der anderen Seite sind Hoffmann und der Chor ganz in schwarz gekleidet (alle tragen dasselbe), sie haben Brillen mit gelben Gläsern und „rauchen“ Zigaretten.

Was die Besetzung angeht muss ich sagen, dass Heiko Trinsinger als die vier Bösewichter optisch definitiv die perfekte Besetzung dieser Rolle ist. Als ich ihn vor der Vorstellung noch ohne Kostüm gesehen habe und noch nicht wusste, welche Rolle er spielt, dachte ich „Der sieht aus wie Coppelius!“, und das war er dann ja auch mehr oder weniger. Er entspricht wirklich eins zu eins der Beschreibung von E.T.A. Hoffmann! Außerdem hat mir Matthew Vickers als Hoffmann sehr gut gefallen, denn ich glaube, er ist vom Äußeren her eine realistische Besetzung und hat auch sehr, sehr gut gesungen, vor allem wenn man bedenkt, um was für eine große Rolle es sich handelt.

Alles in allem ist es also eine sehr gelungene Inszenierung und definitiv einen Besuch wert! Vorstellungen gibt es noch am 27.10., 16.11., 15.12. und 31.12.2023 und am 08.02., 06.04. und 26.05.2024. Ihr habt also noch reichlich Gelegenheiten, es euch anzuschauen! In der nächsten EULE gibt es dann hoffentlich mal wieder einen Artikel über ein Musical, „Jekyll & Hyde“ nach dem Vorbild der Novelle von Robert Louis Stevenson, mit Alexander Klaws (Saturday Night Fever) in der Hauptrolle – seid also gespannt…

Quelle der Bilder: staatstheater-darmstadt.de, abgerufen am 1.10.23

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